Sommer, Sonne, Artenschutz
Der Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres: Sonne, Strand und neue Eindrücke, keine Termine, keine Verpflichtungen. Einfach abschalten und sich – herrlich – um nichts kümmern. Genauer: Um fast nichts. Denn mit nur ein wenig Bedacht kann jeder Reisende ganz einfach dazu beitragen, dass der Aufenthalt für alle Beteiligten angenehm wird – auch für die einheimischen Tiere.
Drei Themenfelder sind für die Aktionsgemeinschaft Artenschutz e.V. (AGA) zur Ferienzeit besonders aktuell: Der Schutz von Schildkröten am Niststrand, verbotene Souvenirs und die gedankenlose Jagd auf Selfies.
Schildkröten in Gefahr: Verhalten am Niststrand
Meeresschildkröten kommen weltweit vor, auch an vielen Mittelmeerküsten. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie im Wasser, doch insbesondere zur Ablage ihrer Eier kommen Schildkrötenweibchen an den Strand. Im Schutz der Dunkelheit graben sie eine gut 40 Zentimeter tiefe Grube, legen die Eier hinein und bedecken sie anschließend mit Sand. Allein die Sonnenwärme brütet den Nachwuchs die folgenden 60 Tage über aus, gut getarnt vor Nesträubern. Die Brutsaison fällt genau in unsere Ferienzeit. Strandurlauber informieren sich darum am besten im Vorfeld, ob sie ihren Sommer an einem Niststrand verbringen. Falls ja, dann sollten alle Nachwuchsarchitekten in diesem Jahr einen strikten Baustopp für Sandburgen einlegen – denn beim Buddeln im Sand können leicht die versteckten Schildkrötennester beschädigt werden. Auch der spitze Fuß eines Sonnenschirms kann die vergrabenen Eier zerstören.
Als schildkrötenfreundlicher Sonnenschutz bieten sich alternativ Strandmuscheln an. Zuletzt sollte den Eiern zuliebe die private Strandrallye ausfallen: Geländewagen, Quads und Motorräder können durch ihr Gewicht ganze Nester zerquetschen oder den darüber liegenden Sand stark verdichten. Schlüpfende Jungtiere haben dann keine Chance, sich an die Oberfläche zu graben.
Ein Elefant wird gerettet
Werden die empfindlichen Schildkröten vor oder während der Eiablage gestört, geht im schlechtesten Fall der ganze Nachwuchs direkt verloren: Legt die verschreckte Mutter ihre Eier im Meer ab, wird kein einziges je ausgebrütet. Auf Nachtspaziergänge und Strandpartys am Niststrand sollte der Schildkröten zuliebe also verzichtet werden.
Auch die Betreiber von Strandbars und Hotels sind in der Pflicht: Liegestühle, Müll und sonstige Gegenstände können sowohl Mutter- als auch Jungtieren den Weg über den Strand versperren. Sie sollten über Nacht anderweitig verstaut sein. Auch künstliche Beleuchtungen können das sichere Anlanden am Brutstrand verhindern: Sie stören den empfindlichen Orientierungssinn der Reptilien. Oft hilft schon ein freundlicher Hinweis an Hoteliers und Barbesitzer gegen störende Hindernisse und Lichtquellen. Egal also ob Urlauber oder Schildkröte, es ist genug Strand für alle da. Beim erfrischenden Bad können sich beide sogar im Meer treffen – aber bitte mit Abstand! Denn, so verrückt es auch klingen mag: Verängstigte Meeresschildkröten trauen sich nicht zum Atmen an die Oberfläche – und können schlimmstenfalls jämmerlich ersticken. Schnorchler, Schwimmer und Bootskapitäne sollten den Tieren also nicht zu nahe auf den Panzer rücken.
»Wie mit Straßentieren umgehen?«
Schöne Erinnerungen statt schädlicher Souvenirs
Jedes Jahr zur Ferienzeit bekommen die Zollfahnder an den Flughäfen eine undankbare Zusatzaufgabe: Sie kontrollieren das Reisegepäck von Urlaubern auf verbotene Souvenirs. Denn nicht alles, was in der Ferne feilgeboten wird, darf der Rückkehrer tatsächlich in die Heimat einführen. Oft sind es geschützte Tier- und Pflanzenarten, die als geschmackloser Touristenkitsch auf den Marktständen enden.
Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen regelt den internationalen Handel mit Tieren und Pflanzen. Je nach Gefährdungsstufe der Art ist er entweder ganz untersagt oder nur mit entsprechender Aus- und Einfuhrgenehmigung erlaubt. Allein im Jahr 2014 musste der Zoll rund 1.000 Mal aus diesem Grund an deutschen Flughäfen zugreifen; mehr als 70.000 Gegenstände stellten die Beamten sicher. Im Jahr darauf waren es bereits fast fünf Mal so viele: Zollbeamte beschlagnahmten 2015 ganze 580.000 geschützte Tiere, Pflanzen und daraus hergestellte Waren.
In einem Großteil der Fälle waren es Touristen, die ein verbotenes Souvenir oder Arzneimittel aus geschützten Pflanzen mitbrachten – wissentlich oder unwissentlich. Ihnen drohen empfindliche Geldbußen und sogar Freiheitsstrafen. Eine gute Orientierung für Urlauber bietet der „AGA-Ratgeber zum Souvenirkauf“: Er fasst die wichtigsten Fakten über verbotene und erlaubte Mitbringsel anschaulich zusammen. Das Heft kann kostenlos bei der AGA bestellt oder online unter www.aga-artenschutz.de eingesehen werden.
Tabu sind Schnitzereien aus Elfenbein, Walknochen oder aus Flusspferdzähnen, Raubtierfelle, Schildkrötenpanzer und Produkte aus Schildpatt (wie beispielsweise Kämme). Auch lebende Tiere gehören nicht ins Reisegepäck: Meist werden Gesundheitszeugnisse und Einfuhrgenehmigungen benötigt. Generell verboten ist der Handel mit fast allen Affenarten, Greifvögeln, vielen Papageien- und Reptilienarten. Was viele Urlauber überraschen dürfte: Auch Muscheln, Korallen und Gehäuse von Meeresschnecken können bei der Einfuhr Probleme bereiten. Denn auch hier können leicht bedrohte Arten darunter sein. Als einfache Faustregel kann also gelten: Tiere und ihre Körperteile bleiben besser in ihrer Heimat. Faszinierende Fotos, Kunsthandwerk, Gewürze oder ein guter Wein bereiten genau so viel Freude – und weniger Ärger.
Auf der Jagd – nach dem besten Selfie
Überall sieht man sie stehen, die Selfie-Jäger: Vor dem Eiffelturm und dem Kolosseum, im Tierpark und im Wachsfigurenkabinett. Für das eindrucksvollste Bild und die meisten Likes positioniert sich der Fotograf möglichst dicht am Geschehen – was gerade in freier Wildbahn und in Safariparks zum großen Problem wird.
Elefanten, Geparde, Antilopen – lange Zeit waren es vor allem gut ausgerüstete Spiegelreflex-Fotografen, die sich mit Teleobjektiven auf die Jagd nach dem idealen Naturmotiv machten. In Zeiten der Smartphones knipst nun jeder Handybesitzer, mit begrenzter Bildqualität und Zoomfunktion.
Die Folgen: Touristen verlieren alle Hemmungen, das Maß für einen gesunden Abstand von und einen respektvollen Umgang mit Lebewesen; Guides fahren ihre anspruchsvollen Kunden immer näher an die Tiere, immer schneller – und immer öfter auch querfeldein, ohne Rücksicht auf Jungtiere, Lebensräume und das Stresslevel der tierischen Bewohner. Im vergangenen Jahr wurden bei einem solchen Manöver in Kenia vier junge Geparden von einem Touristenbus überrollt – eine vermeidbare Tragödie.
Auch ein seltener La-Plata-Delfin wurde Anfang des Jahres in Argentinien zum Opfer rücksichtsloser Selfie-Fotografen: Das Tier wurde aus dem Wasser gezogen und so lange von Touristenhand zu Touristenhand gereicht, bis es völlig dehydriert am Strand starb. Wenige Monate später quälten, schlugen und verletzten Strandtouristen im Libanon eine Karettschildkröte – alles dokumentiert per Smartphonekamera. „Haarsträubend“ findet Birgit Braun diese „Selfie-Mania“. „Immer öfter leiden Tiere unter fotowütigen Touristen“, sagt die Geschäftsführerin der AGA. „Die Fälle nehmen rapide zu. Alle wollen Tierfotos, aber viele Urlauber verschwenden keinen Gedanken daran, welchen Preis ihre lebenden Motive dafür zahlen.“
Die Selfie-Jagd hat noch einen weiteren negativen Effekt: Nachdem die Zahl der für Hobbyfotografen abgerichteten Wildtiere – wie etwa Tanzbären oder Greifvögel – in den letzten Jahren abgenommen hatte, blüht das Geschäft mit dem schnellen Schnappschuss erneut auf. Für den Facebook-Post mit Bär oder Tiger sind Touristen offenbar wieder eher bereit, in die Tasche zu greifen – und auch dabei Tier- und Artenschutz auszublenden.
Beiden Problemen ist mit einfachen Strategien beizukommen: Offensichtlich unseriöse Anbieter sollten gemieden, zweifelhafte durch Nachfragen und kurze Recherchen überprüft werden. Sollte ein Führer deutlich zu dicht auf ein Tier auffahren oder die Wege verlassen wollen, kann ihn der Kunde freundlich versuchen umzustimmen. Beobachten Reisende tatsächlich ein grobes Fehlverhalten, besteht die Möglichkeit, den Guide oder die Organisation an Behörden beziehungsweise Nationalparkverwaltungen zu melden – und kritische Kommentare und Bewertungen auf Homepages und in sozialen Medien zu hinterlassen. Denn Reiseanbieter sind hier sehr auf ihren guten Ruf bedacht. Und zuletzt kann, wie immer, auch hier ein wenig gesunder Menschenverstand nicht schaden – ein kurzes Innehalten, eine knappe Frage nach dem Tierwohl, bevor die Kamera gezückt wird.
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Quelle: Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) e.V. / Foto: AGA-BirgitBraun