Friedhof der Gruseltiere: Von Piratenspinnen, Uferwanzen und Sumpfschrecken
Österreich – Wenn sich im Herbst dichte Nebel über die Hochmoorlandschaften des Salzkammerguts legen, bedeutet dies noch lange nicht den Auftakt zum Winterschlaf.
Im Gegenteil: In einer zoologischen Studie, die die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) im Rahmen des gemeinsamen Moorrevitalisierungsprojekts mit dem Land Oberösterreich in Auftrag gaben, wurde erstmals der Artenreichtum der Hochmoore zwischen Totem Gebirge und Dachstein untersucht.
“In sechs typischen Moorlandschaften des Salzkammerguts wurde die Artenvielfalt dieses einzigartigen Ökosystems erforscht”, erläutert Georg Erlacher, Vorstand der Bundesforste. “332 Tierarten konnten dabei festgestellt werden.” Viele von ihnen, wie die Hochmoor-Springspinne oder die sensationell dokumentierte Eiszeit-Reliktart der Nordischen Moorknirpswanze, zählen dabei zu den Letzten ihrer Art. In Oberösterreich erstmals nachgewiesen stehen sie und weitere Artverwandte auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere. Die zoologische Untersuchung ist Teil des Hochmoor-Projekts, bei dem auf Initiative des Landes Oberösterreich und der Bundesforste bis 2013 insgesamt 77 Moore untersucht und gegebenenfalls revitalisiert werden.
Fischende Piratenspinne, Sumpf-Weichwanze und Kleine Moosjungfer
So klingend die Namen, so selten bekommt man sie nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe zu Gesicht: Die Fischende Piratenspinne, die erstmals in Oberösterreich nachgewiesene Hochmoor-Springspinne oder die ausschließlich in Österreich lebende Taurische Höhlenbaldachinspinne – sie alle finden sich auf der Roten Liste und sind durch den Rückgang des Lebensraums gefährdet. Auch die Uferwanze oder die höchst selten gewordene Sumpf-Weichwanze – letztere ebenfalls zum ersten Mal in Oberösterreich nachgewiesen – sind in den Moorregionen im Salzkammergut beheimatet. Unter den Heuschrecken wurde die gefährdete Sumpfschrecke gesichtet. Die selten gewordene Arktische Smaragdlibelle, die Kleine Moosjungfer (Libellenart) und der Hochmoor-Perlmuttfalter sowie die sehr seltene Köcherfliege konnten ebenso festgestellt werden.
Rossbrand, Blick zum Dachstein
Nordische Moorknirpswanze – Reliktart aus Eiszeit
Als besonderes Highlight gilt der überraschende Nachweis der ausgesprochen seltenen Nordischen Moorknirpswanze. Sie gilt als Relikt der Eiszeit – bis heute sind nur drei Fundorte im Alpenraum und in Mitteleuropa bekannt. “Die Ergebnisse der Studie belegen eindrucksvoll, dass Moore eine Art “Arche-Noah-Funktion” für bedrohte Arten übernehmen. Umso wichtiger ist es für uns, die Artenvielfalt durch gezielte Revitalisierungsmaßnahmen der Moore so gut wie möglich zu erhalten und wiederherzustellen”, fasst Georg Erlacher zusammen.
12.000 Insekten, Amphibien und Reptilien erfasst
Mit Bodenfallen, Wasserkeschern oder Sichtbeobachtungen haben Experten der Bundesforste und vom Institut für Tierökologie und Naturraumplanung (Ökoteam) mehr als 12.000 Tiere, davon über 1.500 Spinnen, mehr als 1.000 Wanzen und knapp 1.000 Zikaden in freier Natur gezählt und bestimmt. Auf diese Weise gelang es, 82 verschiedene Spinnenarten, 65 Wanzenarten, 65 Zikadenarten, 12 Heuschreckenarten, 11 Libellenarten, 24 Tagfalter- und Widderchenarten, 16 Ameisenarten, 53 Gewässerorganismen (Fliegen, Muscheln, Krebse) 3 Amphibienarten ud 1 Reptilienart in den Hochmooren des Salzkammergutes nachzuweisen.
Schnake auf Sonnentau
Hochmoor-Renaturierungsprojekt im Salzkammergut
Im Sommer starteten die Bauarbeiten für das bisher größte Hochmoor-Renaturierungs-projekt der Bundesforste im Salzkammergut. Auf Basis des Moorentwicklungskonzeptes der Umweltanwaltschaft des Landes Oberösterreich und mit finanzieller Unterstützung des Landes Oberösterreich und der Europäischen Union werden 77 Hochmoore untersucht und gegebenenfalls revitalisiert. “Insgesamt 102 Dämme aus Lärchenholz wurden errichtet, um das Wasser wieder aufzustauen”, erklärt Erlacher. “Nur so können wir die Moore vor dem Austrocknen schützen und diese wertvollen Ökosysteme für die nächsten Generationen erhalten.” Mit Ende Oktober 2012 waren die baulichen Maßnahmen zur Wiedervernässung weitestgehend abgeschlossen. Moore wirken nicht nur regulierend bei Starkregen, da sie wie ein Schwamm viel Wasser aufsaugen können, in ihren Torfschichten sind große Mengen an Kohlenstoff gebunden, sie spielen als CO2-Speicher auch im Klimawandel eine wichtige Rolle. Die Bundesforste engagieren sich seit knapp 20 Jahren aktiv für den Schutz wertvoller Moore und stellten 1993 alle ihre 474 Moore unter Schutz. Seitdem wurden zahlreiche Renaturierungsprojekte umgesetzt, um den Lebensraum für Fauna und Flora langfristig zu erhalten.
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Fotos: ÖBf Archiv / Siegfried Gamsjäger, Franz Kovacs, Wolfgang Simlinger
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