Offener Brief: Aigner verhindert Rettung von gequälten Tieren Protest gegen die Novellierung des Tierschutzgesetzes § 11
EUROPÄISCHER TIER- und NATURSCHUTZ e.V. (ETN e.V.)
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Petition gegen die Novellierung des Tierschutzgesetzes 2012 des ETN e.V.
Büro Berlin
Ilse Aigner / MdB
Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Aigner,
Hiermit protestieren wir, der Europäische Tier- und Naturschutz e.V., einer der größten Tierschutzverbände Europas, vehement gegen die Novellierung des Tierschutzgesetzes § 11 (Abs.1, Satz 1, Nummer 5 –neu), dass eine neue „Erlaubnispflicht“ für die Einfuhr von Wirbeltieren, speziell von Hunden und Katzen nach Deutschland vorsieht.
Das Gesetz diffamiert seriöse Tierschützer, indem es sie mit kriminellen Welpenhändlern in einen Topf wirft und erschwert die bis dato schon schwierige Tierschutzarbeit für misshandelte Tiere derart, dass tausenden Tieren die letzte Chance auf Rettung genommen wird. In der Folge wird Ihr Gesetz für tausende Tiere den Tod bedeuten. Tiere, die schon ein hartes Schicksal erleiden mussten, ein Leben an der Kette verbrachten, denen man sämtliche Knochen gebrochen, die Pfoten abgehackt, die Augen ausgestochen hat, die angezündet oder ausgesetzt wurden. Diesen Tieren nehmen Sie die letzte Hoffnung auf ein Zuhause. Wir protestieren auch im Namen aller Tierschützer und privater Helfer, die aufopferungsvoll Tiere aus dem Ausland retten. Vor allem aber erheben wir mit dem ETN unsere Stimme für alle gequälten und misshandelten Straßentiere in Europa.
Der Gesetzentwurf zu § 11 sieht zukünftig eine zusätzliche „Erlaubnispflicht“ zur Einfuhr von Hunden und Katzen aus dem Ausland nach Deutschland vor und beträfe damit alle Tierheime, Tierschutzvereine aber auch private Tierschützer, die Tiere im Ausland retten, pflegen und gegen Entgelt/ Schutzgebühr sowie sonstige Gegenleistung vermitteln.
Es muss also zukünftig auch jede Privatperson, die zufällig einen halbverhungerten Hund im Ausland (Urlaub) rettet, pflegt und diesen an Bekannte nach Deutschland vermittelt und dafür z.B. die Flugkosten erstattet bekommt, zusätzlich zu den ganzen anderen Formalitäten, auch noch eine gesonderte „Erlaubnis“ beantragen. Es ist schwer vorstellbar, wie dies in der Praxis funktionieren soll und welchen unfassbaren Bürokratismus, der Millionen Steuergelder verschlingen würde, das hervorriefe. Damit erhöhen Sie die Hürde zur Rettung von Tieren nochmals so erheblich, dass viele Tiere dadurch in Zukunft nicht mehr gerettet werden. Dieser realitätsferne Gesetzentwurf zeigt vor allem auf dramatische Art und Weise, dass Ihnen echter Tierschutz im Ausland nicht bekannt ist. Sie stützen sich zudem schlicht auf falsche Tatsachen.
Dies wird in der Begründung des Gesetzentwurfes deutlich:
…„Viele dieser Tiere werden über Tierschutzvereine, in der Regel über Pflegestellen, oder direkt auf Bestellung an einen neuen Halter vermittelt. Bei den Tieren handelt es sich vielfach um leicht vermittelbare Welpen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil dieser Tiere gezielt für den deutschen Markt gezüchtet und auf dem Luftweg nach Deutschland von so genannten Flugpaten begleitet wird. …“
Im Kern meinen Sie mit dieser diskriminierenden Formulierung wahrscheinlich die kriminellen Welpenhändler, die vorzugsweise aus Ungarn oder Polen Welpen in grenznahe Gebiete wie z.B. dem „Polenmarkt“ in Slubice und nach Lüttich/Belgien bringen, wo die häufig kranken Welpen zu Dumpingpreisen illegal an Deutsche verkauft oder auch an Zoohandlungen in Deutschland veräußert werden. Diese werden jedoch weder von Tierschutzvereinen noch von Flugpaten transportiert, sondern per Auto. Auch wir verurteilen diese Form des kriminellen Hundehandels mit Welpen auf das Schärfste und kämpfen seit Jahren mit ETN-Kampagnen wie z.B. „Wühltischwelpen-Nein Danke!“ dagegen an und klären darüber auf. In vielen Fällen haben wir zur Aufdeckung dieser mafiösen Welpenhändler-Strukturen beigetragen.
In Ihrer o.g. Begründung vermischen Sie nun in fataler Weise kriminelle Welpenhändler mit seriösen Tierschützern und erwecken den Eindruck, dass seriöser Auslandstierschutz den Handel mit „vorbestellten und extra dafür gezüchteten Welpen“ beinhalten würde. Gegen diese Form der Diffamierung verwehren wir uns entschieden.
Die Realität unserer Tierschutzarbeit sieht anders aus. Besonders in Süd- und Osteuropa gibt es einen untragbaren Umgang mit Straßentieren. In Rumänien wurden in den letzten 5 Jahren ca. 10 Mio. Straßentiere brutal ermordet, lebendig mit Säure übergossen, angezündet, erschossen. In Spanien werden jedes Jahr ca. 100.000 Galgos an Bäumen erhängt und ca. 5 Mio. Hunde und Katzen in den staatlichen Tiertötungstationen („Perreras“) ermordet. In der Ukraine wurden 2011/12 für die Fußball-EM 2012 ca. 250.000 Straßenhunde in fahrenden Krematorien lebendig verbrannt oder lebend in Massengräbern verschüttet. In Griechenland, der Türkei und Bulgarien ist es ähnlich verheerend. Die Szenarien und Bilder, die wir in unserer Tierschutzarbeit erleben, sind unerträglich.
Von diesen betroffenen Tieren im Ausland haben nur ganz wenige das Glück, gerettet zu werden und ihre Verletzungen zu überleben. Wir sprechen hier von ca. 1% der Tiere. Millionen Hunde und Katzen überleben ihre Misshandlungen und Qualen nicht. Es werden ca. 200.000 Straßentiere/ p.a. nach Deutschland eingeführt. Für viele der geschundenen Tiere ist es das erste Mal im Leben, dass sie ein liebevolles Zuhause und Fürsorge, sowie artgerechte Haltung erfahren.
Sicher kann man nicht alle leidenden Tiere in Deutschland aufnehmen, das ist auch nicht der Fall, denn auch Österreich, die Schweiz, Holland und skandinavische Länder nehmen Tiere aus dem Auslandstierschutz auf. Leider ist die Vermittlung ins westliche Ausland für diese wenigen überlebenden Tiere oft die einzige Alternative. Denn in ihren Heimatländern gibt es weder staatliche Tierheime noch Menschen, die Straßentiere adoptieren und nur wenige, die freundlich mit Tieren umgehen. Man kann diese Tiere nicht in die Hände ihrer Peiniger vermitteln. Diese Tiere sind in gewisser Weise Asylanten und in ihren Heimatländern verfolgt. Deshalb ist es richtig, sie in Deutschland aufzunehmen.
Der ETN betreibt seit vielen Jahren Aufklärungsarbeit in diesen „Krisenländern“, um bei den Menschen ein Umdenken im Umgang mit Tieren in Gang zu setzen. Die Menschen müssen erkennen, dass Töten keine Lösung zur Dezimierung der Population ist. Allein durch Kastrationen wird die Entstehung des Tierelends verhindert. Wir setzen uns für Registrierungs- und Chip-Pflicht der Tiere ein und führen mit unserem ETN-Tierärzteteam jedes Jahr sehr viele derartige Aktionen (neuter & release) durch, bei denen wir tausende Straßentiere im Ausland kastrieren und Tierärzte in den betroffenen Ländern in modernen Operationsmethoden unterrichten. Wir initiieren Tierschutzgesetze und Bildungsprogramme in Schulen; wir kämpfen auf Ebene des EU-Parlaments für europaweite Tierschutzgesetze, und wir werben für Empathie für Tiere als unsere Mitgeschöpfe; wir fordern die katholische Kirche zur Umkehr ihrer tierfeindlichen Haltung auf (die kath. Kirche spricht Tieren eine Seele ab und meint, der Mensch solle Tiere nicht lieben (Katechismus)). Diese Haltung ist sicher mit verantwortlich für die schlimme Lage der Tiere in Süd- und Osteuropa (alles kath./orth. Länder). Nur durch solch gezielte Tierschutzarbeit wird man in Zukunft die Situation der Tiere im Ausland verbessern können. Bis dahin sind wir unserer humanistischen Grundhaltung verpflichtet, die wenigen überlebenden Tiere aus diesen Ländern zu retten und aufzunehmen.
Wenn Sie nun meinen, dass es sich bei den geretteten Tieren zum großen Teil um Welpen handle, dann irren Sie gewaltig. Es sind Tiere jeder Größe, jeder Farbe und jeden Alters, meist Mischlinge. Wenn Sie in Ihrer Gesetzesbegründung von „vorbestellten Tieren“ sprechen, verursacht das bei uns pures Kopfschütteln. Wir haben unter unseren zu vermittelnden Tieren viele alte Tiere, Tiere mit drei Beinen, Blinde, Tiere mit abgeschnittenen Ohren oder Ruten, Tiere mit Schuss- und Schnittverletzungen, Verbrennungen, querschnittsgelähmte und traumatisierte Tiere. Wenn Sie über „Vorbestellungen“ für diese Tiere verfügen, dann sind wir brennend daran interessiert!!! Denn für uns bedeutet es sehr viel Arbeit und Herzblut, für diese Tiere ein gutes Zuhause zu finden. Viele Tiere finden auch keines und verbringen ihr Leben hinter Gittern.
Sie scheinen ebenso zu glauben, dass man mit der Vermittlung dieser geretteten Straßentiere ein „Bomben- Geschäft“ mache. Auch da können wir Ihre Wissenslücke schließen, denn die Rettung, Pflege und Vermittlung von Tieren ist betriebswirtschaftlich betrachtet ein absolutes „Verlustgeschäft“. Wenn man ein Tier im Ausland rettet, dann benötigt es meist medizinische Behandlung, weil es sehr häufig verletzt oder krank ist. Viele Tiere müssen aufwendig operiert werden (alte Knochenbrüche, Unfälle, Verbrennungen). Wenn das Tier nach der Pflege vermittelt werden kann, muss erst einmal das passende Zuhause gefunden werden, was ebenfalls mit großer Verantwortung und Aufwand verbunden ist. Dann benötigt das Tier einen internationalen Haustierpass, entsprechende Impfungen, einen Chip und einen Tag vor der Abreise ein Zertifikat vom Veterinär, dass es reisetauglich ist. Je nach Land sind auch Bluttests erforderlich. Bei mehreren Tieren benötigt man eine Trace-Nummer, und die Tiere werden durch den Amtsveterinär vor Ort nochmals geprüft. Hinzu kommen die Kosten für die Box und den Transport im Flugzeug. Die Preise für den Transport von Tieren per Flugzeug haben sich in den letzten 2 Jahren bei fast allen Airlines verdreifacht, wobei die Boxen-Kontingente im selben Atemzug um 2/3 gekürzt wurden. D.h. man muss erst einmal einen Flugpaten finden und dann noch Glück haben, dass eine Box frei ist. Die Abfertigung an den Flughäfen ist je nach Land ebenfalls sehr aufwendig, die Papiere müssen mehrfach kopiert werden, die Transportbox muss genauen Zentimeterangaben entsprechen, und in einigen Ländern prüft der Flughafen-Veterinär dann nochmal alle Papiere, Pässe und tierärztliche Zertifikate.
Die Einfuhr von Hunden und Katzen aus dem Ausland nach Deutschland ist somit bereits sehr stark reglementiert, transparent und mit großen Auflagen versehen. Die Kosten für die medizinische Behandlung der Tiere, Kastration, die Pässe, Chip, Impfung, Bluttest, Transport etc. sind extrem hoch. Wenn ein Tierschutzverein oder ein privater Tierschützer vom Empfänger des Tieres dann eine Schutzgebühr von € 150- € 250 oder einen Sack Hundefutter als Gegenleistung bekommt, dann deckt das nicht einmal ansatzweise die entstandenen Kosten.
Bei Lufthansa zahlt man allein für eine große Box schon € 300. Es ist wenig schlüssig, dass Sie einerseits gegen illegale Welpenhändler, die Welpen zu Dumpingpreisen von ca. € 80 verkaufen, vorgehen wollen und nun fordern, dass Tierschutztiere quasi gratis abgegeben werden sollen. Tierschutztiere sind keine „minderwertige Ware“ und jeder, der ein Tier übernimmt, muss sich im Klaren sein, dass Tierhaltung Geld kostet und eine große Verantwortung mit sich bringt.
Wenn Sie nun per Gesetz eine weitere „Erlaubnis“ zur Einfuhr von Tieren nach Deutschland fordern, dann ist das nicht nur unsinnig, weil bereits alle veterinärmedizinischen Anforderungen existieren und erfüllt werden, und Absender und Empfänger der Tiere ebenfalls transparent sind, sondern es wird einzig dazu führen, dass kaum mehr ein Tier gerettet wird. Möglicherweise ist das aber auch Ihre Absicht.
Was uns unterscheidet ist, dass Sie versuchen Menschen vor Tieren zu schützen, und wir versuchen Tiere vor Menschen zu schützen. Millionen ermordeter, gequälter und misshandelter Straßentiere sprechen hier eine deutliche Sprache, wer vor wem beschützt werden muss.
Anstatt ein Gesetz auf dem Rücken von gequälten Tieren zu erlassen, denen Sie damit die letzte Chance nehmen, wenigstens einmal im Leben ein bisschen Liebe und Zuwendung zu erfahren und einen neuen Bürokratismus, der Unsummen Steuergelder kosten wird, zu installieren, wäre es sinnvoller, Sie würden dieses Geld kausal in Aufklärungs- und Kastrationsaktionen im Ausland investieren und sich auf EU-Ebene für entsprechende Gesetze einzusetzen. Damit kann man den Zustrom von Tieren aus dem Ausland am besten reduzieren. Wir fordern Sie auf, den Gesetzentwurf ändern, zwischen illegalen Welpenhändlern und seriösen Auslandstierschützern klar zu differenzieren und die zusätzliche „Erlaubnispflicht“ zu streichen.
Falls Ihr Gesetzentwurf darauf abzielen sollte, zukünftig alle organisierten und privaten Tierschützer in die Gewerblichkeit zu zwingen, um aus dem Leid von Tieren Steuereinahmen zu generieren, dann wäre das nicht nur moralisch mehr als verwerflich, sondern auch ein betriebswirtschaftliches Fiasko, da Sie mehr mit Verlusten als mit Gewinnen zu tun hätten.
Gern stehen wir für einen gemeinsamen Gesprächstermin zur Verfügung. Sollte das Gesetz in dieser Form verabschiedet werden, kündigen wir schon jetzt Verfassungsklage an.
Mit freundlichen Grüßen
Maja Prinzessin von Hohenzollern, ETN e.V.-Botschafterin
Europäischer Tier- und Naturschutz e.V.
Todtenmann 8 / Hof Huppenhardt
D-53804 Much
Deutschland
Tel. +49 (0)2245-6190-0
Fax +49 (0)2245-6190-11
Email Adresse: info@etn-ev.de
Webseite : www.etn-ev.de
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