Wissenschaftliche Studien bezweifeln die Aussagekraft von Tierversuchen
Tierversuche werden von weiten Teilen der Bevölkerung immer noch als unverzichtbarer Bestandteil von Forschung und Medizin akzeptiert. Doch müssen Tierversuche nicht nur aus ethischen, sondern vor allem auch aus wissenschaftskritischen Gründen hinterfragt werden. Ihr Nutzen für die Erforschung menschlicher Krankheiten ist nämlich keineswegs ohne Einschränkungen zu akzeptieren.
In den letzten Jahren sind in renommierten Fachzeitschriften zahlreiche wissenschaftliche Studien erschienen, die dieser Methode der Erkenntnisgewinnung ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Das Konzept des unverzichtbaren Tierversuchs gerät immer mehr ins Wanken.
Erkenntnisse aus Tierversuchen widersprechen oft klinischen Ergebnissen
In einer Übersichtsarbeit aus England wurden die Ergebnisse verschiedener Behandlungsmethoden bei Versuchstieren und Patienten anhand entsprechender Fachartikel verglichen. Dazu wurden sechs Behandlungsmethoden ausgewählt, bei denen es eine gesicherte klinische Wirkung beim Menschen gibt. Bei nur drei der sechs untersuchten Krankheitsbilder gab es Übereinstimmungen, bei der anderen Hälfte nicht. Zum Beispiel hilft Kortison Versuchstieren mit einer künstlich beigebrachten Schädel-Hirnverletzung. Bei menschlichen Patienten konnte diese Wirkung nicht festgestellt werden. Bei Tieren konnte ein akuter ischämischer Hirnschlag mit Tirilazad erfolgreich behandelt werden. Beim Menschen nützte es nichts oder war sogar schädlich. Umgekehrt war die Gabe von antifibrinolytischen Medikamenten bei Hirnblutungen bei Patienten hilfreich, im Tierversuch jedoch nicht.
»Weitere Fragen zum Thema Tierversuche?«
Die Autoren kritisieren auch die unrealistische Nachahmung klinischer Symptome. So erhielten Nagetiere zehn Minuten nach einem künstlich beigebrachten Schlaganfall eine Behandlung, während Menschen oft erst nach mehreren Stunden behandelt würden. Insgesamt, so urteilen die britischen Wissenschaftler, widersprechen die Ergebnisse der Tierversuche zu oft den klinischen Ergebnissen.
Ein weiteres Wissenschaftlerteam aus England ging der Frage nach, ob es Beweise für den Nutzen von Tierversuchen in der Medizin gibt. Dazu wurden sechs Übersichtsartikel ausgewertet, die die Ergebnisse aus Tierversuchen mit den entsprechenden klinischen Untersuchungen vergleichen. Die Analyse zeigt zahlreiche Mängel im tierexperimentellen Bereich auf. So unterscheiden sich die Ergebnisse von gleichermaßen an Tieren und Menschen durchgeführten Studien oft ganz erheblich voneinander. Außerdem finden Tierversuche häufig nicht vor klinischen Versuchen statt, sondern gleichzeitig, was ihre Relevanz für den Menschen noch weiter in Frage stellt. Wenn Tierversuche klinischen Studien vorausgehen, so verhindern negative Resultate oft nicht, dass entsprechende Tests doch noch am Menschen stattfinden, wodurch die vorangegangenen Tierversuche ad absurdum geführt werden.
Die ungenauen Ergebnisse aus Tierversuchen können Patienten gefährden und sind zudem eine Verschwendung von Forschungsgeldern, heißt es in der Arbeit. Weiter kritisieren die britischen Wissenschaftler, dass trotz der aufgezeigten Schwachpunkte mehr Geld in die experimentelle Grundlagenforschung gesteckt wird als in klinische Studien. Bevor neue Tierversuche durchgeführt werden, fordern die Autoren eine gründliche Bewertung der vorhandenen wissenschaftlichen Datenlage und den zwingenden Nachweis der Validität und Generalisierbarkeit neuer tierexperimenteller Studien für die klinische Medizin.
Keine Umsetzung in der Humanmedizin nachweisbar
In einer deutschen Studie aus dem Jahr 2001 wurden 51 in Bayern genehmigte Tierversuchsanträge zwischen 1991 und 1993 analysiert. So wurde untersucht, ob die Projekte tatsächlich zu wissenschaftlich weiterführenden Erkenntnissen beitrugen. Von den 51 genehmigten Tierversuchen erreichte nur ein Drittel das angegebene Versuchsziel. Ein Erreichen des Versuchsziels sagt allerdings nichts darüber aus, ob tatsächlich ein Nutzen für die Medizin oder gar für Patienten daraus gezogen werden konnte. Weiterhin wurde der Frage nachgegangen, inwieweit die Belastung für die Tiere im Versuch wirklich den Angaben im Versuchsantrag entsprach. Als Maßstab wurde dabei der vom Schweizer Bundesamt für Veterinärwesen erarbeitete Belastungskatalog herangezogen. Es zeigte sich, dass Zweidrittel der Antragsteller die Belastung der Tiere zu niedrig einschätzten, kein einziger zu hoch.
Die Nachfolgearbeit aus dem Jahr 2005 beschäftigt sich mit der Frage der klinischen Umsetzung von genehmigten Tierversuchsvorhaben nach mehr als zehn Jahren. Untersucht wurde dies mittels Zitierhäufigkeit, Zitierverlauf sowie Nennung in klinischen Studien oder Übersichtsartikeln bei 16 von 51 Anträgen aus Bayern, die in der vorausgegangenen Studie als erfolgreich eingestuft worden waren. Das Ergebnis: Bei keinem der ursprünglich 51 untersuchten Tierversuchsanträge war nach mehr als zehn Jahren eine Umsetzung in der Humanmedizin nachweisbar. Die Autoren stellen aufgrund ihrer Ergebnisse die Unerlässlichkeit, Notwendigkeit und ethische Rechtfertigung von tierexperimentellen Versuchsvorhaben in Frage. Sie fordern Tierversuche einer strikten Erfolgskontrolle zu unterwerfen.
Eine an der University of Waterloo in Ontario, Kanada, durchgeführte Literaturrecherche untersuchte die Zitierhäufigkeit von 594 tierexperimentellen Studien über einen Zeitraum von zehn Jahren. Rund 94 Prozent der Arbeiten wurden weniger als 100mal in zehn Jahren zitiert, das heißt, sie wurden von der Fachwelt als unwichtig erachtet. Die kanadischen Wissenschaftler untersuchten weiterhin, ob sich eine schlechte Zitierhäufigkeit, das heißt, schlechte Qualität der Arbeit, auf die Forschungstätigkeit auswirkt. Das Ergebnis: Nein! Wenig zitierte Forscher machten jahrelang so weiter wie immer, wobei ihre Ergebnisse noch nicht einmal in der Fachwelt Beachtung fanden.
Stress bei Versuchstieren verfälscht Ergebnisse
Eine amerikanische Studie untersuchte 200 Publikationen bezüglich der Haltungsbedingungen von Versuchsnagern. Der Autor fand heraus, dass die Standard-Haltungsbedingungen von Ratten, Mäusen und anderen Nagetieren körperliche und psychische Schäden bei den Tieren verursachen. Deshalb muss die Verwendung von Tieren zu Versuchszwecken aus ethischen und wissenschaftlichen Gründen generell in Frage gestellt werden. Eine weitere Studie aus den USA untersuchte 80 Publikationen zu Eingriffen an Versuchstieren. Sie belegt, dass allein schon der Umgang mit Versuchstieren erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse von Tierversuchen hat. Mäuse, Ratten, Kaninchen, Hunde, Gänse und andere Tiere werden durch Routine-Untersuchungen wesentlich mehr gestresst, als bislang angenommen. Die Stressreaktionen verfälschen die Tierversuchsdaten. Allein schon das Hochheben einer Maus ruft bei dem Tier eine Reihe von Körperreaktionen hervor. Stresshormone im Blut, Puls und Blutdruck sind erheblich erhöht. Diese Symptome sind noch nach einer Stunde nachweisbar. Auf Routine-Eingriffe, wie Blutentnahmen und Verabreichung von Testsubstanzen mit einer Magensonde reagieren die Tiere mit Angst und Panik. Die Stresswerte im Blut steigen und die Immunabwehr sinkt. Dies geschieht schon vor dem eigentlichen Experiment. Die Autoren folgern, dass es “keine humanen Experimente gibt” und dass die Forschungsergebnisse verfälscht werden können.
Immer mehr wissenschaftliche Studien stellen den Nutzen von Tierversuchen in Frage. Insbesondere wird kritisiert, dass Tierversuchsergebnisse oft nicht mit den am Menschen gewonnenen Erkenntnissen übereinstimmen. Tierversuche werden oft gleichzeitig mit oder gar nach klinischen Studien durchgeführt.
Damit wird eine Notwendigkeit von Tierversuchen als Voraussetzung für die Anwendung von Behandlungsmethoden am Menschen ad absurdum geführt. Vielfach führen Tierversuche nicht zu irgendeiner klinischen Anwendung beim Menschen. Außerdem beeinflussen Haltungsbedingungen und Umgang mit Versuchstieren die Ergebnisse gravierend, was deren Aussagekraft weiter in Frage stellt. Der mangelnde Nutzen legt die Vermutung nahe, dass viele Tierversuche zum reinen Selbstzweck durchgeführt werden. Die deutsche Genehmigungspraxis ist nicht in der Lage, solche Tierversuche wirksam zu verhindern. Sie bedarf offensichtlich einer dringenden Überholung. Zu fordern ist daher als erster Schritt die Einführung einer rigorosen Erfolgskontrolle von Tierversuchsvorhaben.
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LINK EMPFEHLUNG
Ärzte gegen Tierversuche e.V. – unabhängige Organisation zur Abschaffung des Tierversuchs
Datenbank Tierversuche – Projekt der Ärzte gegen Tierversuche e.V.
Harry hilft Tieren – Seite für Kinder von Ärzte gegen Tierversuche e.V.
Europäischen Koalition zur Beendigung von Tierversuchen (ECEAE)
Ich liebe Tiere | PRO TIERSCHUTZ – Facebook Plattform für Tierfreunde
Tierversuche – der falsche Weg
Quelle: Ärzte gegen Tierversuche e.V. / Fotos: Ärzte gegen Tierversuche e.V. (A,C,D) – Animal Rights Sweden (B)
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tierversuche sind brutal, sadistisch, unnötig und sinnlos.
weitere links und infos in http://sensiblochamaeleon.wordpress.com/2009/09/06/fur-eine-tierversuchsfreie-wissenschaft-elektronisches-gerangel-hinter-den-kulissen/
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