Ich muss lernen! Aber wie? – Das Lernverhalten des Hundes
In meinem Artikel „Ich muss gar nix… außer lernen“ ging es darum, dass Hunde nicht von Natur aus dem Menschen gefallen wollen und uns jeden Wunsch von den Augen ablesen.
Alles was ein Hund tun und lassen soll, muss er zuerst einmal gelernt haben und es ist die Verantwortung des Menschen ihm all diese Dinge beizubringen!
Wie das nun geht, dem Hund einzelne Dinge beizubringen, erfahren Sie nun regelmäßig in meiner neuen Serie „Ich muss lernen…“
Bevor wir nun aber in medias res gehen, ist noch etwas Theorie nötig, denn um einem Hund etwas beizubringen, muss man zunächst verstehen, wie das Lernen überhaupt funktioniert.
Wie lernt der Hund?
Konsequenz beeinflusst Verhalten – Alle Verhaltensweisen, die eine positive Konsequenz haben, werden häufiger gezeigt, alle die eine negative Konsequenz haben werden seltener. Wir können Verhalten verändern indem wir die Konsequenz beeinflussen. Umgekehrt ist es nicht möglich Verhalten zu beeinflussen, wenn wir die Konsequenz nicht beeinflussen können. Wir können den Hund als Konsequenz für sein Verhalten …
Belohnen
- etwas angenehmes hinzufügen (=positive Bestärkung), z.B. Leckerli, Zuwendung, Spiel…
- etwas unangenehmes wegnehmen (=negative Bestärkung), z.B. Zug an der Leine, lässt nach…
Bestrafen
- etwas unangenehmes hinzufügen (=positive Strafe), z.B. Schimpfen, Klaps, Schnauzengriff, Leinenruck…
- etwas angenehmes wegnehmen (=negative Strafe), z.B. Sozialkontakt beim Ignorieren…
Die Konsequenz muss unmittelbar auf das Verhalten folgen, sonst verknüpft der Hund es nicht mehr richtig. Man hat ungefähr ½ Sekunde Zeit.
Hunde lernen Kontextbezogen – das heißt, alles was ein Hund in dem Moment, in dem die Konsequenz erfolgt, sieht, hört, riecht und spürt kann mit dem Verhalten in Zusammenhang gebracht werden. Man weiß nie, welche Einflüsse der Hund tatsächlich verknüpft. Daraus ergeben sich zwei wichtige Ansätze für das Training mit Hunden:
- Ein Verhalten, das an einem Ort oder in einer bestimmten Situation schon gut ausgeführt wird, wird möglicherweise an einem anderen Ort oder in einer anderen Situation nicht verstanden. Es muss an verschiedenen Orten und in verschiedenen Situationen trainiert werden (als Faustregel: mindestens 5 verschiedene Orte).
- Positive Strafen (siehe oben) werden möglicherweise falsch verknüpft, z.B. mit der Person, die den Hund bestraft oder mit einem Menschen, Tier, Objekt… das zufällig gerade in der Nähe ist. Hierin besteht eine große Gefahr in der Anwendung positiver Strafen!
Motivation – Jedes Tier (auch der Mensch) wird immer das tun, was ihm den größten Vorteil bringt! Demnach ist eine Belohnung auch nur genau das, was der Hund in dieser Situation auch wirklich haben will (nicht unbedingt das, was sich der Mensch als nette Belohnung ausgedacht hat).
Wenn er z.B. gerade satt ist, ist Futter vielleicht keine besondere Belohnung. Wenn er gerade lustig mit anderen Hunden spielt, ist ein verbales Lob nicht ausreichend usw. Umgekehrt verhält es sich genauso mit Strafen: Eine Strafe ist nur dann eine Strafe, wenn sie dem Hund unangenehm ist.
Nicht selten wird eine vom Menschen als Strafe empfundene Handlung vom Hund als Belohnung aufgefasst, z.B. wenn er bellt, weil er um Aufmerksamkeit bettelt und er wird angeschrieen: Der Hund will Aufmerksamkeit! Aufmerksamkeit hat er bekommen. Für das Training mit Hunden ist es sinnvoll eine Liste von Motivationsmöglichkeiten zu erstellen und diese nach Beliebtheit beim Hund zu reihen. Verwenden Sie immer eine der Situation entsprechende Motivation. Motivierend können z.B. sein: Futterbelohnungen verschiedener Qualität, Streicheln, verbales Lob, Spiel, frei laufen dürfen…
Ablenkungen sind Faktoren, die die Motivationslage des Hundes beeinflussen: Kommt z.B. ein anderer Hund vorbei, ist es für den Hund vielleicht belohnender davon zu laufen um mit diesen zu Spielen, anstatt Sitz zu machen und dafür ein Lob zu bekommen. Ablenkungen müssen im Training langsam gesteigert werden. Anfangs ist unbedingt darauf zu achten, dass die Belohnung attraktiver ist, als die Ablenkung. Erst wenn der Hund gelernt hat ein Verhalten unter starker Ablenkung auszuführen, beherrscht er es wirklich. Auch hier kann eine Rangliste der Ablenkungen für das Training sinnvoll sein. Beim Steigern der Ablenkung, werden zuerst die Anforderungen wieder herabgesetzt.
Habituation (Gewöhnung) ist eine besondere Form des Lernens: Folgt auf einen Reiz keine Konsequenz, gewöhnt sich der Hund daran und schenkt ihm in Zukunft keine Beachtung mehr. Für alle Tiere und auch uns, ist diese Form des Lernens lebensnotwendig: würden wir auf jeden Reiz in unserer Umwelt reagieren – Geräusche, Gerüche oder auch nur der Druck von Kleidung oder Schmuck auf der Haut, würden wir bald wahnsinnig werden.
In der Hundeerziehung spielt Habituation insofern eine Rolle, als dass sich der Hund auch an unsere Handlungen, Wörter usw. gewöhnen kann. Wird mit dem Hund ständig herum geschimpft oder ihm wahllos irgendwelche Kommandos gegeben, die er vielleicht noch gar nicht beherrscht, und es folgt keine Konsequenz darauf, gewöhnt sich der Hund bald daran und kümmert sich nicht mehr weiter darum. Daher ist es wichtig Hunden zuerst das Verhalten beizubringen und erst dann das dazugehörige Kommando. Ebenso ist es wichtig bei einem bereits erlernten Kommando auf seine Ausführung zu bestehen, gleichzeitig soll man aber die Kommandos nicht ständig wiederholen.
Habituation (Gewöhnung) ist eine besondere Form des Lernens
Löschung von Verhalten – Ein Verhalten, auf das keine Reaktion erfolgt, wird immer seltener und verschwindet schließlich (fast) ganz. Der Unterschied zur Habituation ist, dass es hier um ein vom Hund gezeigtes Verhalten geht und nicht um einen Reiz von außen. Unerwünschtes Verhalten, insbesondere aufmerksamkeitsforderndes Verhalten, wird gelöscht, wenn wir ihm einfach keine Beachtung schenken. Zuvor kommt es aber noch zum sog. Löschungstrotz: zunächst wird das Verhalten schlimmer, da der Hund versucht, ob er zum gewünschten Erfolg kommt, wenn er sich mehr anstrengt. Hier ist es sehr wichtig stark zu bleiben und das Verhalten weiterhin zu ignorieren! Umgekehrt werden auch erwünschte Verhaltensweisen gelöscht, wenn sie nie mehr belohnt werden!
Variable Belohnung – Beim Einlernen einer neuen Verhaltensweise muss der Hund jedes mal belohnt werden, da er sonst nicht weiß, ob er es richtig gemacht hat. Hat der Hund etwas besonders gut gemacht, bekommt er einen Jackpot – eine ganz besondere Belohnung (z.B. gleich eine Hand voll Leckerli). Erst wenn der Hund das Verhalten beherrscht (perfekte Ausführung, an verschiedenen Orten, unter Ablenkung), geht man zu variabler Belohnung über: Anfangs wird jedes 2. mal belohnt, dann in unregelmäßigen Abständen. Man hört jedoch nie ganz auf den Hund zu belohnen! Auch die Art und die Qualität der Belohnung kann und soll variieren.
Auch Jackpots sollten weiterhin hin und wieder gegeben werden. Ein Verhalten auszuführen ist dann für den Hund wie ein Glücksspiel. Deshalb bleiben auch variabel belohnte Verhaltensweisen sehr stabil (löschungsresistent), da der Hund nicht gleich völlig enttäuscht ist, wenn er einmal nichts bekommt.
Das gleiche Prinzip wirkt bei Menschen, die Glücksspiele spielen: in einen Glücksspielautomat werden z.B. zahlreiche Münzen geworfen, obwohl man nicht jedes mal belohnt wird. Aber man hat die Chance auf einen Jackpot.
Bei z.B. einem Getränkeautomat ist man aber gewohnt, dass man für jede Münze, die man ein wirft auch ein Getränk bekommt. Man wird normalerweise jedes mal belohnt. Kommt einmal kein Getränk, werden wir ärgerlich und versuchen es nicht noch einmal, da der Automat offensichtlich kaputt ist.
Der Nachteil der variablen Belohnung kommt bei der Löschung von unerwünschte Verhaltensweisen zum Tragen: wird man nur einmal während der Löschungsphase schwach und beachtet das Verhalten, hat man den Hund variable Belohnt und das Verhalten zusätzlich gefestigt. Wenden Sie deshalb diese Methode nur an, wenn Sie absolut konsequent sein können!
Aus diesem Wissen ergeben sich folgende Regeln für das Training mit Hunden:
- Erwünschtes Verhalten sofort innerhalb ½ Sekunde belohnen.
- Unerwünschtes Verhalten ignorieren.
- Positive Strafen vermeiden.
- Verhaltensweisen in kleinen Schritten einüben: Die Anforderungen (Genauigkeit, Länge) langsam und getrennt von einander steigern.
- Das Kommando (Hör- und/oder Sichtzeichen) erst einführen, wenn der Hund die Verhaltensweise schon kann.
- Jeden dieser Schritte an mindestens 5 verschiedenen Orten üben.
- Zum nächsten Schritt übergehen, wenn der Hund das Verhalten ca. 50x (mindestens 8 von 10 mal) richtig ausgeführt hat.
- Langsam die Ablenkungen steigern (Liste). Dabei wieder Anforderungen zurückschrauben.
- Kommandos nicht wiederholen! Der Hund gewöhnt sich entweder daran, dass ihn das Kommando nichts angeht (Habituation) oder er lernt, dass er erst nach dem 3. mal folgen muss (kontextbezogen). Führt er es nicht aus, passiert gar nichts (also vor allem auch keine Belohnung). Innerlich bis 15 zählen und das Kommando erneut geben.
- Kommandos nicht geben, wenn der Hund sie sowieso nicht befolgt (Habituation). Z.B. lieber den Hund abholen, wenn er gerade mit anderen Hunden spielt, anstatt ihn vergebens zu rufen.
Führt ein Hund eine Verhaltensweise 3 mal hintereinander nicht aus, ist er nicht stur! Sondern:
- Er hat es nicht gut genug gelernt (einen Schritt zurück gehen).
- Er ist nicht ausreichend motiviert (Qualität der Belohnung prüfen).
- Er ist nicht in der Lage das Verhalten auszuführen z.B. durch Krankheit, Verletzung, äußere Umstände… (Umstände prüfen und insbesondere bei sehr folgsamen Hunden, die plötzlich nicht mehr gehorchen, den Tierarzt aufsuchen)
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Alina Geishofer: “Ich bin keine „Tier-Nanny“ und auch kein „Hundeflüsterer“! Ich habe keine Gott gegebene Gabe und vollbringe keine Wunder! Aber auf Grund meiner Aus- und Fortbildungen bin ich in der Lage, Tierverhalten wissenschaftlich zu beurteilen und Menschen zu helfen ihren Umgang mit Tieren zu verbessern.”
Haustierberatung.com
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Fotos: Alina Geishofer
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