Auch Tiere brauchen Rechtsbeistand: Volksabstimmung über Tierschutzanwalt in der Schweiz
Schweiz – Am 7. März 2010 entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die sogenannte “Tierschutzanwalt-Initiative” des Schweizer Tierschutzes STS, welche die gesamt-schweizerische Einsetzung von Tieranwältinnen und Tieranwälten fordert. Das Anliegen ist aus der Sicht des Tierschutzes sehr bedeutend, weil es die Möglichkeit bietet, den in vielen Kantonen eklatanten Vollzugsnotstand im Tierschutzstrafrecht zu beenden.
Warum sind Tieranwälte notwendig?
Tiere können sich vor Behörden und Gerichten nicht selber vertreten. Sie sind daher auf Menschen als ihre Vertreter angewiesen. Privatrechtlich können sich die Halter eines geschädigten Tieres wehren und Schadenersatzansprüche geltend machen. Strafrechtlich sieht es aber anders aus, und weil Tiere oftmals gerade von ihren eigenen Haltern misshandelt, vernachlässigt oder anderswie gesetzwidrig behandelt werden, sind sie dringend auf unabhängige Hilfe angewiesen. Der Schutz von Tieren ist Verfassungsauftrag (Art. 80 BV) und somit eine im öffentlichen Interesse liegende Staatsaufgabe. Für den Vollzug sind die kantonalen Behörden zuständig. Die Überwachung der Haltung von Tieren beispielsweise obliegt den kantonalen Veterinärdiensten. Mit verschiedenen Verwaltungsmassnahmen von Verfügungen, Auflagen und Bewilligungspflichten bis hin zu Beschlagnahmungen und Tierhalteverboten können sie Missständen im Umgang mit Tieren entgegentreten. Ziel der Massnahmen ist es, den betroffenen Tieren unmittelbar zu helfen und den gesetzmässigen Zustand wieder herzustellen. Bereits begangene Straftaten an Tieren können von den Verwaltungsbehörden hingegen nicht sanktioniert werden. Daher braucht es Tieranwälte, die dafür sorgen, dass Tierquäler für ihre Straftaten zur Rechenschaft gezogen werden.
Dr. iur. Antoine F. Goetschel: Tieranwalt für den Kanton Zürich
Beispiel Zürcher Tieranwalt
Im Kanton Zürich besteht seit 1992 das Amt eines offiziellen Tieranwalts, das sich im Laufe der Jahre als sehr effizient erwiesen hat. Der Zürcher Tieranwalt nimmt in allen Strafverfahren wegen Verstössen gegen das Tierschutzrecht die Interessen der betroffenen Tiere wahr und verfügt über sämtliche einem Parteivertreter zustehenden Rechte. In Zusammenarbeit mit der Oberstaatsanwaltschaft hat er ausserdem Sanktionsempfehlungen für Tierschutzdelikte erarbeitet, was im Kanton Zürich nicht nur zu höheren Strafen, sondern auch zu einer einheitlichen Strafpraxis und damit zu mehr Rechtssicherheit geführt hat. Obwohl es sich in der Praxis sehr bewährt hat, ist das Zürcher Modell leider noch immer einzigartig. Bei Bund und Kantonen findet diesbezüglich ein “Schwarzer-Peter-Spiel” statt. Während der Bund die Einführung von Tieranwälten als Angelegenheit der Kantone betrachtet, verzichten diese auf eine Einsetzung in Erwartung einer gesamtschweizerischen Regelung. Dieses Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeiten geht in erster Linie zulasten des Tierschutzes, weil es dazu führt, dass die Strafbestimmungen des Tierschutzrechts nicht überall konsequent durchgesetzt werden. Die von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) jedes Jahr vorgelegte Analyse der Schweizer Tierschutzstrafpraxis zeigt das massive Vollzugsdefizit in vielen Kantonen eindrücklich auf.
Die Tierschutzanwalt-Initiative und ihre Auswirkungen
Mit der Einsetzung von Tieranwälten würde vor allem die bislang fehlende Waffengleichheit in Tierschutzstrafverfahren erreicht. Während dem Angeschuldigten nämlich sämtliche Parteirechte zur Verfügung stehen, können sich die betroffenen Tiere nicht verteidigen. Ihre Interessen werden von kantonalen Strafverfolgungsbehörden vertreten, denen es oftmals sowohl an Fachkenntnissen in Sachen Tierschutz und Tierschutzrecht als auch am Interesse fehlt. Auf das Tierschutzrecht spezialisierte Tieranwältinnen und Tieranwälte sollen darum für die Wahrung der Rechte der Opfer von Tierschutzdelikten sorgen. Erst dann besteht Waffengleichheit – das Hauptmerkmal eines fairen Prozesses. Tieranwälte bedeuten keine hohen Zusatzkosten. Jeder Zürcher Kantonseinwohner bezahlt gerade einmal 8 Rappen jährlich für den Tieranwalt – mit diesem günstigen Instrument wird der Vollzug erheblich verbessert. Wer sich nicht einmal an die Minimalanforderungen des Tierschutzgesetzes hält und Tiere gesetzwidrig behandelt, gehört hierfür angemessen bestraft. Besonders wichtig ist dabei die Prävention, indem potentielle Tierquäler durch angemessene Geldstrafen und allfällige Freiheitsstrafen abgeschreckt werden.
LINK Empfehlung:
Stiftung für das Tier im Recht – Argumente und Gegenargumente zum Tieranwalt
www.tieranwalt.org – Hintergrundinformationen und Argumentarium
www.tierschutzanwalt.ch – die Website des Initiativkomitees
www.tierschutzanwalt-ja.ch – hier gibt’s Interviews, Statements und originelle eCards
www.afgoetschel.com – die Website des Zürcher Tieranwalts
Vanessa Gerritsen ist juristische Mitarbeiterin der Stiftung für das Tier im Recht.
Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in der Schweiz. Deren Stiftungsziel ist die Besserstellung des Tieres in Recht, Ethik und Gesellschaft.
Geschäftsstelle:
Wildbachstrasse 46, Postfach 1033, CH – 8034 Zürich
LINK Empfehlung von TierarztBLOG: Meinungsumfrage zur Volksabstimmung
Ich bin der Meinung, dass die Schweiz ein gutes Vorbild für viele Länder sein kann. Danke für den interessanten Artikel!