Hollywood Cat Report: Tom & Jerry
Tom und Jerry ist eine Serie von 161 kurzen Zeichentrickfilmen, die von 1940 bis 1967 fürs Kino produziert wurden. Die meisten Folgen handeln vom Versuch des Katers Tom, die Maus Jerry zu fangen, wobei sich skurrile Verfolgungsjagden und Zweikämpfe ergeben, in denen meistens die Maus die Oberhand behält. Die Produktion war weltweit außerordentlich erfolgreich und hat zahlreiche Preise erhalten. Sieben Folgen wurden mit einem Oscar ausgezeichnet, weitere sechs erhielten Oscarnominierungen. Damit ist Tom und Jerry die meistausgezeichnete Animationsserie überhaupt. Die ersten 114 Folgen wurden in den Trickfilmstudios von Metro-Goldwyn-Mayer unter der Regie von William Hanna (1910-2001) und Joseph Barbera (1911-2006) unter klassischen Animationsbedingungen produziert. Bereits zwischen den ersten Folgen gibt es je nach Animationsteam und Konzept stilistisch unterschiedlich gestaltete Figuren für Tom und Jerry.
In der Anfangszeit war die Katze sehr niedlich, flauschig und stilisiert gezeichnet, die Maus eher knubbelig und ausdruckshaft wenig differenziert. Die Weiterentwicklung der Figuren führte über den heute im Merchandising verwendeten realistischen Stil von 1949 hin zu markanteren Formen, die wieder deutlich abstrakter waren. Im Laufe der Zeit traten sowohl seitens der Maus, als auch verstärkend für Tom Nebenfiguren auf. Zu Hauptfiguren wandelten sich vor allem die Bulldogge Spike (welcher anfänglich unter verschiedenen Namen eingeführt wurde und später häufiger auftrat), dessen Sohn Tyke sowie die Baby-Maus Nibbles (in späteren Comic-Strips Tuffy genannt). Weitere Nebenfiguren, etwa ein gelber Kanarienvogel oder Toms Katzenfreunde, der schwarzharige Tim (Butch), der rotfellige Liky (Lightning bzw. Meathead) und eine namenlose Babykatze (oft fälschlicherweise als Bärenkind bezeichnet, im Original Topsy), tauchten zwar häufiger auf, verschwanden jedoch ebenso schnell wieder und wurden keine ständigen Begleiter.
Tom und Jerry sind in diesen ersten Folgen tierische Charaktere, die vor allem im häuslichen Umfeld Schabernack treiben. Der Kater wird von der schwarzen Haushälterin Mammy Two-Shoes gehalten, die große Angst vor Mäusen hat. Im amerikanischen Original spricht die Frau einen ausgesprochen derben schwarzen Südstaaten-Akzent, tritt vor allem als Autorität oder strafende Person in den Vordergrund und wird oft geschädigt. Eine Besonderheit ist, dass bei den gezeichneten Menschen der älteren Filme stets nur die untere Körperhälfte (sogenannte „Kinderperspektive“) gezeigt wird. In jüngeren Produktionen sind auch Menschen vollständig zu sehen. Die älteren Folgen sind allgemein sehr gewalttätig und kreativ und waren im Kino sehr erfolgreich. Hanna und Barbera haben später fürs Fernsehen weitere bekannte Trickfilmserien wie zum Beispiel Familie Feuerstein produziert. Die MGM-Trickfilmabteilung wurde 1957 geschlossen.
“The Yankee Doodle Mouse” – Academy Award (Oscar) für den besten Kurzfilm 1943
Von 1961 bis 1967 wurden weitere 47 Cartoons von Gene Deitch und Chuck Jones produziert. Auch hier sind weitere stilistische Veränderungen vorgenommen worden, die Charaktere wurden markanter und zunehmend in fiktivere Umgebungen hinein gesetzt, führten ein eigenes Leben und agierten wie Menschen. In den sechziger Jahren wurde Mammy Two-Shoes durch eine weiße Frau ersetzt. Dies geschah in Anbetracht der sozio-politischen Veränderungen in den USA. In den folgenden Jahren entstanden weitere Trickfilme direkt für das Fernsehen, in denen auf Gewalt weitestgehend verzichtet wurde und die – bei kleinerem Budget – nicht mit der künstlerischen Qualität der Kinofolgen mithalten konnten. Die Serie verlor dadurch an Attraktivität, konnte sich aber durch fortgesetzte Ausstrahlung der älteren Folgen in der Gunst des Publikums halten.
Die älteren Folgen sind im Zweiten Weltkrieg und unmittelbar danach entstanden, und waren, dem damaligen Geschmack folgend, mit vielen Stereotyp-Witzen behaftet, die in späteren Folgen der sechziger Jahre aus der Mode gekommen sind. Hierzu zählt aber vor allem auch der Witz auf Kosten der afroamerikanischen Haushälterin Mammy Two-Shoes (später auch einer Weißen) sowie (in anderen Szenen) schwarzer oder asiatischer Einwanderer. Gelegentlich bestand der Situationswitz darin, dass einer der beiden (Katze oder Maus) „zum Esel“, „zum Neger“ oder „zum Chinesen“ gemacht wurde. Auch das Verhalten von Mammy selbst wurde in seiner Stereotypie witzig empfunden. Aktuelle Neuveröffentlichungen sind heutzutage oft zensiert; sowohl bei Fernsehausstrahlungen wie auch auf den DVD-Veröffentlichungen wurden Gewaltstellen bzw. sogenannte rassistische Stellen (z.B. wenn sich nach einer Explosion das Gesicht einer Person schwarz verfärbt) beschnitten.
Die Zensur begann jedoch bereits Mitte der fünfziger Jahre, als Mammy Two-Shoes, die bis dahin in nahezu jeder Folge aufgetreten war, in Neuproduktionen durch ein weißes Mittelklasse-Pärchen bzw. eine Weiße ersetzt wurde, da sich die Filme mit einer weißen Frau besser an das Fernsehen verkaufen ließen. Die unnachahmliche und urige schwarze Synchronstimme von Lillian Randolph, die auch eine weiche akzentfreie Jazzstimme hatte, wurde durch die vornehm irisch akzentuierte Stimme von June Foray ausgetauscht. Und obwohl es echte rassistische Inhalte auch in den älteren Kinoversionen nie gab, wurde Mammy auch aus diesen teilweise herauseditiert oder durch neuproduzierte Filmstücke ersetzt. Die heute verfügbaren Kopien enthalten statt Mammy oft überhaupt keine menschlichen Charaktere. Mit der Entfernung aller schwarzen Inhalte auch aus dem Handlungsgeschehen war der Rassismus-Vorwurf vom Tisch. Die Serie wurde auch hinsichtlich der veränderten Charaktere von Tom und Jerry weiß, die seit Ende der Sechziger zunehmend als handelnde Menschen auftraten und mit Geschichten rund um Haus, Erfolg, Besitz, Strandurlaub oder Barbecue auf den weißen Amerikaner zugeschnitten wurde. Heute sind jedoch noch zahlreiche Versionen mit Mammy erhalten und auch in den heutigen DVD-Versionen ist sie teilweise zu sehen.
“Johann Mouse” – Academy Award (Oscar) für den besten Kurzfilm 1952
Allerdings kamen in den originalen Kinofilmen auch extrem gewalttätige Szenen vor, die alle heute bekannten Szenen in den Schatten stellen und bereits in den sechziger Jahren beim Übertrag alten Filmmaterials auf neue Trägermedien weggelassen wurden. Alle heute kursierenden Masterbänder enthalten dieses Material bereits nicht mehr. Die zahlreichen einander folgenden Zensuren haben zu einer filmgeschichtlichen Veränderung der Filme geführt, die heute nicht mehr in dem Zustand gesehen werden können, wie sie das Publikum der vierziger und fünfziger Jahre sah.
Für den deutschen Fernsehmarkt wurden Einzelfolgen in Sammelbeiträge zusammengeschnitten, basierend auf der Einzelfolge „Jerry’s Diary“ von 1949, die von Kenneth Muse und Ed Barge nach dem von ihnen entwickelten Stil animiert wurde. In dieser Folge entdeckt Tom das Tagebuch von Jerry und liest darin, was eine Rahmenhandlung abgibt, in die fünf Ausschnitte aus anderen Folgen eingespielt werden. Diese Folge wurde beim Zuschnitt der Produktion auf das Fernsehformat als Rahmenhandlung verwendet, wobei die Einspieler durch andere Folgen ersetzt wurden. Diese Folgen werden von mehreren Zwischenspielern getrennt, in denen sich Toms gute Stimmungslage schrittweise verschlechtert und gegen deren Ende er wütend das Tagebuch zerreißt und dem völlig überraschten Jerry eine Torte an den Kopf wirft (letzteres wurde jedoch beim Wechsel von ARD zu Pro7 Anfang der 90er Jahre herausgeschnitten und seither nicht mehr gezeigt). In dieser Form wurde Tom und Jerry dem deutschen Publikum bekannt. Weil die Rahmenhandlung von „Jerry’s Diary“ in jeder Fernsehfolge gezeigt wurde, avancierte sie zur bekanntesten Folge überhaupt. Die im Stil von Muse und Barge gezeichneten Figuren gelten in Deutschland heute als typisch „Tom und Jerry“ und werden heute im deutschen Merchandising verwendet, obwohl nur wenige Folgen in diesem Stil gezeichnet sind.
Alle Folgen sind mit einer Stimme aus dem Off synchronisiert, die aus Jerrys Perspektive oder – seltener – aus einer neutralen Position das Gesehene erzählt und kommentiert (diese Version hat einen anderen Sprecher; es handelt sich um massivst gekürzte Folgen, die höchstwahrscheinlich in einer Zweitausstrahlung gekürzt und nachsynchronisiert wurden). Ähnlich wie bei Paulchen Panther, sind die meist gereimten Kommentare ein deutsches Exklusivum und tragen durch zusätzliche Kontextinformationen und Witz nicht unerheblich zur Unterhaltung sowie zum einfacheren Verständnis der Handlung bei. Auf den deutschsprachigen Zuschauer wirken daher Original und Synchronfassung inhaltlich etwas anders. Für die deutschen Texte der Fernseh-Erstausstrahlungen zeichnete Siegfried Rabe verantwortlich, der auch Co-Autor des Titelliedes dieser deutschen Fernsehfassung, „Vielen Dank für die Blumen“, war. Das Lied wurde von Udo Jürgens gesungen und gehört zu seinen bekanntesten Interpretationen. Gesprochen wurden die Texte anfangs von Peter Ehret, in späteren Folgen auch von Stefan Krause und Arnold Marquis.
Udo Jürgens: “Vielen Dank für die Blumen”
Mittlerweile sind fast alle Cartoons der Jahre 1940–1967 auf DVD erhältlich – auf einer 12-teiligen „Tom & Jerry Classic Collection“. Vergessen wurden im Rahmen dieser Veröffentlichung allerdings „Busy Buddies“ (100) sowie „Tom als Millionär“ (14). Letztgenannter ist nur auf der Best-of-DVD „Tom und Jerry – Auf Reisen“ enthalten. In Großbritannien werden die Folgen gewöhnlicherweise in den unverfälschtesten noch erhältlichen Versionen gezeigt, das heißt jenen, die 1965 von Barbera selbst von Kinobändern auf neues Material überspielt wurden. Die BBC verwendet die Folgen zudem als Notband bei Sendeunterberechungen und technischen Störungen an Stelle einer Hinweistafel, weil sich damit der sonst übliche schlagartige Zuschauerverlust verhindern lässt. Im stark cartoon-lastigen japanischen Medienmarkt zählt Tom und Jerry zu den 100 beliebtesten Produktionen.
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